Systemoffene Ausschreibung für Hochbau?
Der Beitrag »Systemoffene Ausschreibung für Hochbau?« wurde auf dem Blog der Vergabeplattform www.vergabe24.de am 12. November 2015 veröffentlicht.
Vergabe24 ist ein gemeinsames Projekt der Staatsanzeiger und Ausschreibungsblätter von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, des Deutschen Ausschreibungsblattes und der bi medien. Es bündelt sämtliche Angebote für das öffentliche Auftragswesen auf einer zentralen Plattform für Vergabestellen und Bieter.
Beschafft eine Behörde oder Gemeinde Server für ihre IT-Infrastruktur oder Softwareprogramme, dann ist die produktneutrale Ausschreibung eine Herausforderung, aber auch eine – gesetzlich vorgeschriebene – Selbstverständlichkeit.
Im Hochbau sieht das anders aus. Eine mit Blick auf ein konstruktives System offene Ausschreibung ist sicherlich nicht Standard, sagt der Architekt und Stadtplaner Lurildo Meneses. Er ist Partner der Münchner Planungsgemeinschaft Zwischenräume Architekten + Stadtplaner GmbH.
Laut VOB/A § 7 Abs. 13-15 ist die funktionale Ausschreibung als „Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm“ auch nur grundsätzlich zulässig, als Ausnahme vom Regelfall der Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis, nämlich wenn sie das geeignete Instrument ist, um die technisch, wirtschaftlich, gestalterisch und funktional beste Lösung zu ermitteln.
Vorgefertigte Ausschreibungstexte
Der Bundesverband Kalksandsteinindustrie e. V. bietet denn auch Bauherren, die mit Kalksandstein planen und ausschreiben wollen, vorgefertigte Ausschreibungstexte an. Mit VOB-konformen Leistungstexten will die Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau (FDB) e.V. die Ausschreibung von Betonfertigteilen erleichtern, durch die eindeutige Leistungsbeschreibung die Vergleichbarkeit der Angebote verbessern.
Andererseits plädieren in der FDB-Broschüre „Betonfertigteile für den Wohnungsbau“ die Autoren für die systemoffene Ausschreibung, und zwar mit Blick auf die Kosten. An der funktionalen Ausschreibung als so genanntem systemoffenem Leistungsbild können sich alle Bauweisen und Baumethoden beteiligen und werden gleich behandelt, auch Fertigteilbauweisen.
Voraussetzung dafür sei, dass im Vorfeld keine Aufwendungen für bestimmte Bauweisen vorweggenommen werden, beispielsweise mit der Ausführungsplanung auf Mauermaße oder mit der haustechnischen Ausführungsplanung mit Erstellung von Leistungsverzeichnissen. „Die offene Ausschreibung setzt voraus, dass die Planung nicht fortgeschritten ist“, formuliert Architekt Meneses.
Systemoffen ausschreiben nur mit Leitvorgaben
Dem entspricht der Hinweis von Dipl. Bauingenieur Friedrich Nagel, Geschäftsleiter der Säbu Holzbau GmbH im Allgäu, dass systemoffene Ausschreibungen dem Ausschreiber erheblichen Aufwand sparen.
Denn im Vorfeld sei eine geringere Tiefe in der Vorprojektierung erforderlich. Definiert werden müssen die Grundlagen und Qualitäten wie architektonische Details, Materialien der Oberflächen, Brand- und Schallschutz sowie Raumakustik. Damit können Angebote beschafft bzw. abgegeben werden, die vergleichbar sind. Der Bieter brauche – abgesehen von Fachkenntnis, Taschenrechner und gutem Kalkulationsprogramm – ein Gespür dafür, wie er die Bauaufgabe aus dem Blick des Kunden am effizientesten löst, so Friedrich Nagel.
Und das ist der Zweck einer funktionalen Ausschreibung: Bietern die Möglichkeit zu geben, ihre unternehmerische Kompetenz im Rahmen ihrer Angebote für die Lösungsfindung zum Tragen zu bringen. Auftraggeber können zudem in einer früheren Projektphase ausschreiben, weil sie dies ohne detaillierte Planung tun. Und indem sie den Auftragnehmer, der den Zuschlag erhalten hat, stark in die Planung einbinden, erhöhen sich Kosten- und Terminsicherheit während des Bauens.
Welche Anforderungen eine funktionale Ausschreibung an Auftraggeber und Auftragnehmer stellt, lesen Sie im zweiten Teil der Serie am 30. November 2015 auf dem Blog der Vergabeplattform.
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