Gemeinwohlökonomie: Besseres Wirtschaften-oder Luxus?
Der Beitrag »Besseres wirtschaften oder Luxus?« erschien im Standortjournal »mach5« des Landkreises Ostallgäu. Neben der Digitalen Revolution und ihrer Bedeutung für die hiesige Wirtschaft, informierte der Landkreis über den Ansatz der Gemeinwohlökonmie – unter anderem im Interview mit Geschäftsführerin Christine Machacek.
Geinwohlökonomie – es lohnt sich dieses Wort auseinanderzunehmen, bevor die Positionen dafür auf dem Tisch liegen: Gemeinwohl und Ökonomie. Starke Unternehmen sorgen im kapitalistischen System für das Wohl der Allgemeinheit, sagen die einen. Ungleichheit gehöre dazu und sei das kleinere Übel gegenüber allen anderen Formen des Wirtschaftens. Falsch, sagen die anderen: Wie bisher kann es nicht weitergehen. Die Wirtschaft soll dem Gemeinwohl dienen und nicht der Geldvermehrung als Selbstzweck. Da stehen sich doch nun zwei interessante Aussagen gegenüber, die sich dennoch auf Gemeinsamkeiten stützen: Demokratie und (weitgehend) freie Märkte.
Werfen wir also einen Blick auf Unternehmen im Ostallgäu, die nach Gemeinwohlökonomie (GWÖ) bilanzieren. Denn so funktioniert es: Firmen, die sich diesem Wirtschaftsmodell anschließen wollen, erstellen eine Bilanz. Die zeigt, welchen Beitrag sie leisten, um allen mit ihnen verbundenen Menschen sowie der Flora und Fauna ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen. Dieser Prozess kostet Zeit und Geld. Da drängt sich direkt die Frage auf, ob ein Modell, das „gutes Leben für alle“ will, im Wettkampf bestehen kann? Klares Ja, sagen Christine Machacek und Jörn Wiedemann. Die Geschäftsführerin der Säbu Holzbau GmbH in Ebenhofen setze ohnehin auf ressourcenschonendes Bauen, also dem sorgsamen Umgang mit Holz: „Wir stehen ja auch im Wettbewerb mit Unternehmen, die nicht nach GWÖ bilanzieren und das ist kein Problem für uns.“ Die Bilanzierung sei eine Ist-Aufnahme, die nicht nur anspornt sich zu verbessern. Sie zeige dafür auch konkrete Möglichkeiten auf. GWÖ-Berater Wiedemann betont, dass der Aufwand Nutzen bringt. Beispielsweise beim Imagefaktor, der in Zeiten des Fachkräftemangels den entscheidenden Unterschied ausmachen kann, die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden.
Mindestens ebenso wichtig ist das im Tourismus. Eine Branche, die generell in Verdacht steht, ökologisch und sozial Luft nach oben zu haben. Daher hat die Allgäu GmbH nach GWÖ bilanziert. Im Ostallgäu hat dies zum Beispiel Füssen Tourismus und Marketing getan. Deren Leiter, Tourismusdirektor Stefan Fredlmeier, sagt: „Dass die Tourismusbranche ökonomische Ziele verfolgt, ist klar. Die Wirkung des Wirtschaftsfaktors Tourismus lässt sich errechnen.“ Ebenso müssten ökologische Faktoren berücksichtigt werden, um Naturschutz und Naturnutzung in Balance zu bringen. „Auch Zielkonflikte liegen quasi auf dem Tisch“, fährt er fort. Doch messen und bewerten sei schwierig. Füssen Tourismus wolle Nachhaltigkeit nicht nur als Worthülse predigen, sondern messbar machen und den eigenen Status sowie die Entwicklung auf den Prüfstand stellen, um mit positivem Beispiel voranzugehen. Schließlich wurde nur Füssen Tourismus und Marketing bilanziert, nicht die Stadt oder der gesamte Tourismus mit all seinen Gastgebern und Erlebnis-Anbietern.
Mit den Schlagworten Freiwilligkeit und Vorbildfunktion geht er auf das häufig gegen die GWÖ angeführte Argument ein, sie verfolge Umverteilung als politische Agenda. Das will auch Wiedemann entschärfen. Er ermuntert alle Arten von Unternehmen: „Denn wenn wir nur Ökos und Holzbauer bilanzieren, dann ist es der Maßstab der Guten.“ Er fände etwa eine Zusammenarbeit mit „kritischen Unternehmen“ wie Rüstungsfirmen interessant. Zwar gebe es auch Negativ-Kriterien, die gerade bei Waffen schnell greifen. „Aber wenn sie nur für Bundeswehr, Polizei und demokratische Partnerstaaten produzieren, kann das durchaus okay sein“, sagt er. Der GWÖ’ler wendet sich generell gegen Verallgemeinerungen, die schnell nach Ideologie riechen. Es könne – auch aus ökologischer Sicht – Sinn ergeben, funktionierende oder Gasheizungen für eine begrenzte Zeit zu behalten. Im Neubau sieht er allerdings keine Zukunft für fossile Brennstoffe. Gleiches gilt für Dieselfahrzeuge, die wenig Sprit verbrauchen und auf langen Strecken zum Einsatz kommen. Sie sollten erst gegen E-Autos getauscht werden, wenn Ersatz fällig wird. Schließlich hinterlasse auch deren Produktion einen erheblichen ökologischen Fußabdruck.
Machacek jedenfalls sieht in ihrer ersten Bilanzierung nur Vorteile. Auch wenn sie, ebenso wie Fredlmeier, über den Aufwand dahinter gestaunt hat. „Aber es hat viel sichtbar gemacht, was schon lange im Kopf gewabert hat“, sagt sie und schaut aus dem Fenster ihrer Firma:
Wiederverwendbare Planen statt Folien als Transportverpackung der Holzbauteile, eine neue Freiflächen-Photovoltaikanlage, LED-Beleuchtung oder ein „Job-Bike“ zur Verfügung zu stellen – diese Beispiele fallen ihr mit Blick auf den Hof spontan ein. „Die Gemeinwohlökonomie wirkt als Beschleuniger, auch wenn es oft nur um Kleinigkeiten geht“, sagt sie. Dem hält Wiedemann entgegen, dass vermeintliche Kleinigkeiten oft gar nicht so klein sind, deswegen helfen konkrete Zahlen. „Für unser Unternehmen darf ich sagen, dass das Instrumentarium der GWÖ-Bilanzierung unser Bewusstsein und den inneren Kompass für Nachhaltigkeit deutlich geschärft hat“, bestätigt auch Fredlmeier.
Alle drei sind sich einig, dass an vielen in der Gemeinwohlökonomie wichtigen Punkten in Zukunft kein Weg vorbeiführt. Aus welchen Motiven auch immer: Persönliche Überzeugung, wirtschaftliche Notwendigkeit, gesetzliche Vorgaben oder um attraktiv für Kunden und Mitarbeiter zu sein.
- Auszug Standortjournal »mach5«: Gemeinwohlökonomie-Besseres Wirtschaften oder Luxus? (PDF 108kB)
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